Daria Bona

Die Kölner Werkschulen und die Fotografie in den 1960er und 70er Jahren

Dieser Beitrag basiert auf der Masterarbeit: Aneignung eines Mediums – Die Kölner Werkschulen und die Fotografie, die von der Autorin im Sommer 2018 bei Prof. Herta Wolf am Kunsthistorischen Institut der Universität Köln verfasst wurde. in einer ersten Bestandsaufnahme werden darin die Etablierungsprozesse, spezifischen Tendenzen des Ausdrucks und Gebrauchsweisen der Fotografie im Zusammenhang angewandter und künstlerischer Ausbildung untersucht.

Im Jahr 1964 richtet sich der Direktor der Kölner Werkschulen Friedrich Vordemberge in einem Brief an Otto Steinert, Professor für Fotografie an der Folkwangschule Essen, da ihm zur Einrichtung einer eigenständigen fotografischen Abteilung nur noch ein geeigneter „Künstler-Lehrer“ fehlt, dem „ […] die freie und angewandte Fotografie mit Schwarzweiß- und Farbenfotografie, Schmalfilm und Fotografik obliegen“[1]soll. Rund ein Jahr später berichtet er dem Regierungspräsidenten der Stadt Köln: „Die Fotografie an den Kölner Werkschulen ist im Aufbau begriffen.“[2] Seine Worte anlässlich der Berufung des Steinert-Schülers Arno Jansen als Leiter des neu eingerichteten Lehrbereichs „Künstlerische Fotografie“ lassen sich als zentrales Moment in der Ausbildungssituation Kölns verstehen. Nachdem bereits seit 1927 in der an die Klasse für Angewandte Graphik, Buchkunst und Werbung[3] angeschlossenen Werkstatt für Fotografie und Reproduktionstechnik Fotografie in gebrauchsgrafischen Zusammenhängen gelehrt wird, emanzipiert sich das Medium nach fast vierzig Jahren als frei-künstlerische Disziplin. Es findet ein Wendepunkt in der Ausrichtung fotografischer Ausbildungsformen statt, in dessen Folge sich im Verlauf der späten 1960er und 70er Jahre neue Gebrauchs- und Aneignungsweisen herausbilden – nicht nur im Kontext der nun eigenständigen Klasse für Künstlerische Fotografie, sondern auch in der Klasse für Freie Grafik, in der sich um 1970 ebenfalls beginnende Auseinandersetzungen mit dem Bildmedium abzeichnen.

 

 

Künstlerische Fotografie zwischen Abbildung und Bilderfindung

 

Die Einstellung eines Steinert-Schülers als leitende Lehrperson der Klasse für Künstlerische Fotografie kann beispielhaft für das Anknüpfen an fotografisch-künstlerische Traditionen stehen. Arno Jansen hatte ab 1956 zunächst an der Werkkunstschule Düsseldorf und dann an der Folkwangschule für Gestaltung in Essen Grafik studiert und wechselte dort mit der Berufung Otto Steinerts 1959 in dessen Werkgruppe Fotografie. Steinerts Lehrprogramm verlagert sich in Essen von der „Subjektiven Fotografie“ auf Sach- und Industriefotografie und bildjournalistische Inhalte.[4] Auch Jansen legt 1963 sein Examen mit dem Schwerpunkt Bildreportage ab und beschäftigt sich zunächst mit der Aufzeichnung alltäglicher Situationen und flüchtiger Momente, porträtiert Personen in Kneipen, bei Volksfesten und bei der Arbeit. An den Kölner Werkschulen setzt er sich zunehmend mit inszenierter Fotografie im Atelier auseinander. Neben experimentellen Arbeiten wie Luminogrammen, Fotogrammen, Collagen und Negativmontagen entstehen Porträtreihen und kompositorische Stillleben, Arrangements aus „Objets trouves“, die sich in die zeitgenössische, an die „Subjektive Fotografie“ anknüpfende Kunstfotografie der 1970erJahre einreihen, die von diversen ehemaligen Steinert-Schülern mit geprägt wird.[5] So nimmt Arno Jansen neben Andre Gelpke, Heinrich Riebesehl und Milan Horacek an der Ausstellung Vorstellungen und Wirklichkeit, 7 Aspekte Subjektiver Fotografie teil, die 1980 im Städtischen Museum Leverkusen Schloß Morsbroich stattfindet.[6] Nach der Neueinrichtung 1965 erfolgt ein materieller und personeller Ausbau des neuen Lehrbereiches für Künstlerische Fotografie. Das Angebot stößt auf reges Interesse:1971 besuchen bereits vierzig Studierende die Klasse. 1972 stehen den Studierenden bereits zwei Ateliers, fünf Schwarz-Weiß-Arbeitsplätze, zwei Color-Arbeitsplätze, drei Großformat-Labors und drei Weiterverarbeitungsräume zur  Verfügung.[7] Die Ausbildung im Studiengang Freie Kunst richtet sich nun an den Vorstellungen eines ungebundenen künstlerischen Schaffens aus. Der Lehrerrolle wird in diesem Sinne keine autoritäre Vorbildfunktion zugemessen, sondern vielmehr die eines Vermittlers. Trotz der formulierten freikünstlerischen Ausrichtung orientiert sich Arno Jansens Lehre in den ersten Jahren seiner Lehrtätigkeit hinsichtlich Aufgabenstellung und Einstellung zu Bildkriterien deutlich an der seines Lehrers Otto Steinert. Nach und nach treten jedoch die Vermittlung technischer Kenntnisse und angewandte Aufgaben in den Hintergrund, um Künstler*innen auszubilden, die als primäres Ausdrucksmittel das fotografische Medium nutzen. Dabei ist Jansens Lehrprogramm an keinen expliziten theoretischen oder bildlichen Inhalten oder einer starken Orientierung an seinen eigenen Arbeiten ausgerichtet. Über die Ausbildung sagt Jansen selber: „Ich halte es für wichtig, daß sich die Studenten individuell nach ihrer jeweiligen künstlerischen Veranlagung entfalten können und nicht zu Epigonen werden. Das wäre kein guter Lehrerfolg. In der Fotografie ist es sowieso zunächst viel schwieriger, eine eigene Handschrift zu entwickeln als in der Malerei z. B., wo es automatisch einen eigenen Pinselduktus und bestimmte Farbvorstellungen usw. gibt. So sind bei uns die technischen Voraussetzungen zunächst gleich, nämlich die Kamera, zunächst auch unabhängig vom Kameraformat. Die Eigenständigkeit eines Lichtbildners äußert sich meines Erachtens besonders in derWahl eines Themas.“[8]

 

Im Zusammenhang der freien Gestaltung des Studiums und selbstwählbarer Bildinhalte entstehen im Kontext der Klasse für Künstlerische Fotografie im Verlauf der späten 1960er und 70er Jahre vielfältige Auseinandersetzungen, die sich je nach individuellem Anspruch zwischen Abbildung und Bilderfindung, zwischen reinem Aufzeichnen des Vorgefundenen und fotografischer Inszenierung positionieren, und in denen sich zunehmend konzeptionelle Herangehensweisen und neue Bildverständnisse andeuten. In Schwarz-Weiß und Kleinformat beschäftigen sich zahlreiche Studierende mit dem unmittelbaren Auffinden des Alltäglichen. Fotografiert wird vermehrt in Serien außerhalb des Studios in der lokalen und regionalen Umgebung und im Rahmen von (Studien-)Reisen im Ausland. Die Arbeiten sind von gemeinsamen Inhalten und Ausgangsfragestellungen durchzogen, in denen sich, nah an den zeitaktuellen Entwicklungen der späten 1960erJahre, auch das im Zuge der studentischen Bewegung entstandene neue politische Bewusstsein abzeichnet. Protestkulturen, alternative Lebensformen und subkulturelle Bewegungen finden genauso Eingang in den Themenkanon wie auch die Verhandlung gesellschaftlicher Rollen,  Ab- und Ausgrenzung sozialer Randgruppen sowie die Veränderung von (Stadt-)Landschaften. Dabei werden dem Bildmedium unterschiedliche Funktionen zuteil: Die Spannweite reicht von fotografischen Reflexionen übertiefergehende soziologische Untersuchungen gesellschaftlicher Strukturen und Probleme bis hin zur sozial engagierten Fotografie und politischem Aktionismus. Indem sie Lebensräume und -bedingungen reflektierend bis kritisch verhandeln, schreiben sich die Arbeiten in parallele Diskurse des Dokumentarischen in der Fotografie und seiner Ausdifferenzierungen in Deutschland ein und versuchen, tradierte Gattungen wie Porträt und Landschaft aufzubrechen und neuen Ausdrucksformen anzupassen.

 

Burkhard Jüttner, ein Meisterschüler Arno Jansens, der Ende der 1970er Jahre ebenfalls an den Werkschulen lehrt, begegnet Menschen auf der Straße oder in ihrem privaten Umfeld und rückt diese in seinen „Situationsportraits“[9] ins Zentrum seiner Arbeit. Reinhard Matz und Martin Manz, die die Klasse für Künstlerische Fotografie ab 1976 besuchen, fotografieren zwischen 1975 und 1979 Autobahn- und Industriegebiete, Brücken- und Hochhausarchitekturen in der BRD und West-Berlin. Ihre Bilder, die sie 1980 in der gemeinsamen Publikation Unsere Landschaften veröffentlichen, zeugen von der zunehmenden Verbauung von Städten und Regionen und schlagen eine alternative Form und Neupositionierung von Landschaftsfotografie vor, die mit der Vorstellung von schöner, unberührter Landschaft bricht und ihr eine kritisierende Funktion zuschreibt.[10] Im Umkreis der Klasse für Künstlerische Fotografie zeichnen sich unterschiedliche Arbeitsweisen und kollektive fotografische Selbstverständnisse ab. Sie bewegen sich zwischen materieller Absicherung und künstlerischem Anspruch und finden sich zum Teil im Begriff der

„Autorenfotografie“ wieder, mit dem Klaus Honnef Ende der 1970erJahre versucht, eine theoretische Anbindung und Definition der neuen dezentral und autonom agierenden Generation zu entwerfen, deren Produktion sich nicht an Vermarktungszwecken orientiert und ohne Aufraggeber erfolgt.[11]  0ftmals dienen dabei Fotobücher oder -hefte in niedriger Auflage dem Zweck eine Öffentlichkeit abseits etablierter Fotozeitschriften und der defizitären Ausstellungssituation für Fotografie zu finden, neue Plattformen fotografischer Repräsentation im Zusammenhang gesellschaftskritischer Äußerungen zu schaffen sowie neue (Bild-)Räume zu besetzen.[12]

 

 

Sofortbild, Sequenz, Fotoarbeit: Die Freie Grafik

 

Zur gleichen Zeit, als sich die Aneignungsformen im Umfeld der Klasse für Künstlerische Fotografie um 1970 ausdifferenzieren, entwickeln sich neue fotografische Herangehens- und Umgangsweisen bei diversen Akteur*innen der Freien Grafik. In der Klasse von Prof. Alfred Will, der diese bis 1971 leitet, wird Fotografie neben den druckgrafischen Techniken wie Radierung, Lithografie, Offsetdruck, Holz- und Linolschnitt nicht explizit gelehrt, sondern ab Ende der 1960er Jahre zunehmend unter den Studierenden als Medium im Kontext eigener künstlerischer Auseinandersetzungen auf konzeptueller Ebene selbstständig herangezogen und verschiedentlich experimentell genutzt. Dabei erfolgen die individuellen Aneignungen des fotografischen Mediums unabhängig von den Bestrebungen der Klasse für Künstlerische Fotografie und zeugen von künstlerischen Praktiken, die sich mit der Anfang der 1960er Jahre einsetzenden Entwicklung in Beziehung setzen lassen, in welcher Künstler*innen im Zusammenhang des sich stark erweiternden medialen Vokabulars in der Bildenden Kunst auch zunehmend die Fotografie nutzen. Jürgen Klauke, der von 1964 bis 1970 freie Grafik studiert und anschließend selbst einen Lehrauftrag erhält, stellt in seinem Buch (Ich und Ich). erotographische tagesberichte. Tageszeichnungen & Fotos (Dinge Situationen Umgebungen) [13] 1971 erstmals inszenierte Sequenzen, die er mit der Polaroidkamera aufnimmt, den erotischen Zeichnungen gegenüber. Das fotografische Bild nutzt Klauke von diesem Moment an als Informationsträger performativer Inszenierungen, um festgelegte Rollencodes sowie sexuelle Ambivalenz und Polyvalenz zu thematisieren und parodistisch zu dekonstruieren, in dem er als „Performer und Transformer“[14]auftritt. Rudolf Bonvie fertigt im Zuge seiner Sofortbildaktionen ab 1972 Porträtserien verschiedener Personen mithilfe aufeinanderfolgender Polaroidaufnahmen an, in denen er sowohl medienreflektierende Fragen nach der Funktion des (Ab-)Bildes stellt als auch gesellschaftliche Phänomene und Rollen untersucht.[15] Ausgehend von der Polaroidfotografie arbeiten Klauke und Bonvie im Verlauf der 1970erJahre in fotografischen Serien größeren Formats, in denen sich mehrere Fotografien zu komplexen Gesamtbildern zusammenfügen und die je nach Anordnung und Präsentation andere Lesarten und -Richtungen anbieten. Dabei knüpfen sie an den sequenziellen und prozesshaften Charakter des Sofortbilds an, das in seiner vermeintlichen anti-ästhetischen Materialität ebenfalls Fragen nach der Funktion von Fotografie und ihrem Authentizitätsanspruch eröffnet. Vor dem Hintergrund, eine Plattform und alternative Verbreitungsmöglichkeit zu finden, veröffentlichen die beiden Künstler ab Mitte der 1970erJahre die Kunststoff-Hefte im Eigenverlag und niedriger Auflagenhöhe, die neben den Werken beider auch Arbeiten befreundeter Akteur*innen wie C. 0. Paeffgen, Ulay und Bernhard Johannes Blume enthalten.[16]

 

Daneben entstehen im Verlauf der 1970erJahre erste großformatige Fotoarbeiten als Unikate oder limitierte Editionen. Astrid Klein setzt sich in ihren Arbeiten sowohl mit dem gesellschaftlichen Rollenbild der Frau als auch mit der Verwendung und Funktion von Fotografie in den Massenmedien auseinander, indem sie gefundenes Bild- und Textmaterial verfremdet. Durch künstlerische und experimentelle fototechnische Bearbeitungen in der Dunkelkammer, wie Rasterungen, Vergrößerungen und Montagen, wird das ursprüngliche Material bis zur Unkenntlichkeit manipuliert und deformiert und so, isoliert von seinem ursprünglichen Entstehungs- und Bedeutungszusammenhang, auf einer neuen Abbildungsebene verknüpft. Auch Rudolf Bonvie nutzt in seinen großformatigen Collagen und Großreproduktionen gesammelte Pressefotografien und Zeitungsausschnitte als Bild- und Textbausteine, um die Kommunikation durch Bilder, fotografische Pressearbeit sowie deren voyeuristische Bildstrategien zu kritisieren.[17] So wie Klaukes Sequenzen mit Zeichnungen und Text kombiniert werden und Bonvies Porträts Endergebnisse von (Sofortbild-)Aktionen sind, fungieren auch die Fotoarbeiten je nach künstlerischer Fragestellung als Teil von Installationen in Kombination mit Objekten und Video und werden so in intermediale und narrative Zusammenhänge eingebunden. Die großformatigen Arbeiten Kleins und Bonvies scheinen hinsichtlich ihrer Konzeption für die Präsentation in Galerien und Museen bestimmt und finden später, Anfang der1980erJahre, im Kontext diverser Kunst-ausstellungen eine Öffentlichkeit: auf den Gruppenausstellungen Zeitpunkt Köln-Deutz im Kunstverein Brühl 1981, … Mit Fotografie im Museum Ludwig 1982 oder 8 in Köln im Kölnischen Kunstverein 1983.[18]

 

 

Kunst, Foto-Design und Neue Medien

 

Die Klasse für Künstlerische Fotografie und die Klasse für Freie Grafik bilden Knotenpunkte, an denen sich neue Gebrauchsweisen des Bildmediums und spezifische fotografische Selbstpositionierungen ab den späten 1960erJahren in unmittelbarer Nähe zueinander herausbilden und sich die Rolle der Kölner Werkschulen als zentraler Ort fotografischer Aktivitäten in Köln verdeutlicht.[19] Sie sind Schnittstellen, an denen sich verschiedene fotografische und künstlerische Netzwerke überlagern und sich die komplexe, sich ausdifferenzierende fotografische Situation der 1970erJahre abzeichnet, die Gisela Parak als „Wilde Vielfalt“[20] beschreibt. Eine Vielfalt, die parallel auch im Umfeld anderer fotografischer Ausbildungszentren in nicht weiter Entfernung entsteht, wo Fotografie „studieren“ ebenfalls populärer wird und sich Benutzung, Rezeption und (künstlerische) Verwendung des Mediums in der Lehre erweitern. So emanzipieren sich im Verlauf der 1960erJahre auch an anderen Werkkunstschulen die Werkstätten für Fotografie zunehmend von den grafischen Abteilungen und können sich, spätestens mit der Eingliederung in die Fachhochschulstrukturen 1971 und damit einhergehender Neustrukturierungen, als eigenständige fotografische Abteilungen und Klassen etablieren. Allerdings versprechen die meist gestalterischen und berufsbezogenen Studiengänge eine Ausbildung, die sich an zeitgenössischen Berufsbildern, wie dem des Foto-Designers, orientiert. In Essen wird die Werkstatt für Fotografie der Folkwangschule für Gestaltung, die bereits 1959 mit der Berufung Otto Steinerts gegründet worden war, später als Studienschwerpunkt Fotografie mit Abschluss des Diplom-Designers[21] in den Studiengang Kommunikations-Design der Gesamthochschule (Universität) Essen integriert, wo nach Otto Steinerts Tod 1978 sein Schüler Erich vom Endt die Leitung des Studienschwerpunktes Foto-Design übernimmt. In Dortmund wird die Studienrichtung Foto-Design im Studiengang Visuelle Kommunikation kurz nach der Überleitung der Werkkunstschule in die Fachhochschule auf Initiative Pan Walthers etabliert. In Bielefeld baut der 1960 als technischer Lehrer eingestellte Gottfried Jäger das Fach Fotografie und Fotografik als Teilbereich der Werkgruppe Freie Graphik aus, allerdings wird erst 1979 eine eigenständige Studienrichtung Foto-/Film-Design eingerichtet.[22]

Obwohl die Kölner Werkschulen als zentrale Institution der Künstlerausbildung in Köln trotz wiederholtem Bemühen, den Status einer Kunsthochschule zu erhalten,1971 im Zuge der Hochschulreform als Fachbereich Kunst und Design in die Fachhochschule Köln eingegliedert werden, definieren sie sich weiterhin als Ausbildungsstätte der Freien Kunst und erweitern diesen Bereich ab Mitte der 1970erJahre durch die Berufung zahlreicher renommierter Künstler*innen und den Ausbau neuer Medien: Robert van Ackeren übernimmt einen Lehrstuhl für Film, Daniel Spoerri unterrichtet Multimedia und Dreidimensionale Gestaltung.[23] Auch in den 1980erJahren entstehen zahlreiche neue Tendenzen im Umfeld der Werkschulen, die versuchen, Fotografie im Kontext anderer Medien neu zu denken. Ein Ansatz, der sich auch nach der Schließung des Fachbereich Kunst und Design 1993 in den folgenden Jahrzehnten fortsetzt: Jürgen Klauke lehrt von 1994 bis 2008 Künstlerische Fotografie an der Kunsthochschule für Medien in Köln und Susanne Brügger, Meisterschülerin Arno Jansens, ist heute Professorin für Fotografie und Neue Medien an der Fachhochschule Dortmund.

[1] Schreiben Friedrich Vordemberge an Otto Steinert vom 31.7.1964, Historisches Archiv der-Technischen Hochschule Köln (HATHK).

[2] Schreiben Friedrich Vordemberge an den Regierungspräsidenten der Stadt Köln vom 22.6.1965, HATHK.

[3] Die „VVerkstatt für Fotografie und Reproduktionstechnik“ wird unter dem 1926 berufenen Direktor Richard Riemerschmid, ein Mitbegründer des Deutschen Werkbunds,1928 im Zuge der Einrichtung einer Klasse für Angewandte Graphik, Buchkunst und Werbung, die von Heinrich Hußmann aufgebaut und bis 1964 betreut wird, eingerichtet. Der erste Lehrer für Fotografie ist der Fotograf und Fachschuloberlehrer Wilhelm Carl Weber, der die Werkstatt bis 1956 leitet.

[4] Siehe hierzu Rolf Sachsse, „Bilder machen lernen“, in: Steinert-Schüler. Otto Steinert und Schüler, Ausst.kat. Museum Folkwang Essen, Essen 1990, S.144-160.

[5] Siehe hierzu Jörg Krichbaum, „Meine Fotografien sind meine Reflexionen. Arno Jansen im Gespräch mit Jürgen Krichbaum“,1977, in: Fotografie. Zeitschrift internationaler Fotokunst, Hrsg. Wolfgang Schulz, Heft 6, Ausgabe 2, Riesvveiler 1978, S. 4-12; Fritz Kempe, „Arno Jansen. Spannweite des Schaffens“, in: Foto-Prisma, Nr.1/1969, Düsseldorf 1969, S. 6-12; Helmut E. Kreutzner, „Meister der Leica Arno Jansen“, in: Leica Fotografie, Nr. 3, Mai/Juni 1968, Frankfurt a. M.1968, S. 90-99.

[6] Siehe Rolf Wedewer (Hrsg.), Vorstellungen und Wirklichkeit, 7 Aspekte Subjektiver Fotografie. Ausstellung Städtisches Museum Leverkusen Schloß Morsbroich, Künstlerhaus Wien, Palais des Beaux-Arts Brüssel, Ausst.kat. Köln 1980.

[7] Siehe Günter Mowe, Dieter Rixe, Studie zur Ausbildung an den Fotografischen Abteilungen der Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen, Abschlussarbeit Studienrichtung Visuelle Kommunikation, Schwerpunkt Foto/Film, Fachbereich Design, Fachhochschule Bielefeld, Bielefeld 1973,5.84.

[8]   Arno Jansen in: Jörg Krichbaum 1977, wie Anm. 3, S. 4-9, S. 5.

[9] Jörg Krichbaum, „Fotokunst in Deutschland. Ernüchterung auf Raten?“, in: Zoom. Magazin kreativer Fotografie, Hrsg. Joachim F. Richter, Nr. 2/1980, München 1980, S. 50-81.

[10] Martin Manz, Reinhard Matz, Unsere Landschaften, Köln 1980.

[11] Klaus Honnef, „Es kommt der Autorenfotograf. Materialien und Gedanken zu einer neuen Ansicht über die Fotografie“, in: In Deutschland. Aspekte gegenwärtiger Dokumentarfotografie, Ausst.kat. Rheinisches Landesmuseum Bonn 1979, Köln/Bonn 1979, S. 8-31.

[12] Siehe hierzu Gisela Parak, „Ein anderer Blick. Über die westdeutsche (Autoren-) Fotografie der 1970er und 1980er Jahre“, in: Fotogeschichte, Hrsg. dies., 35. Jg., Nr.137, 2915, S. 5-16 [= Die wilde Vielfalt. Zur deutschen Fotoszene der 1970er und 80er Jahre].

[13] Jürgen Klauke (Ich &Ich). erotographische tagesberichte. Tageszeichnungen & Fotos (Dinge Situationen Umgebungen), Okt.70 – Febr.71, Köln 1972.

[14] Peter Weibel, „Klaukes Kunst. Zwischen Subversiver Körperpolitik und Performativen Akten“, in: Absolute Windstille, Jürgen Klauke – das fotografische Werk, Ausst.kat. Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland Bonn, Staatliches Russisches Museum St. Petersburg, Hamburger Kunsthalle, 2001, Bonn 2001, S. 51-69.

[15] Siehe hierzu Reinhold Mißelbeck, „Wider die Technisierung des Lebens. Rudolf Bonvie 1963 – 1978 – 1983″, in: 8 in Köln. Rudolf Bonvie, Birgit und Wilhelm Hein, Antonius Höckelmann, Astrid Klein, Dieter Krieg, Volker Tannert, Günter Thorn, Dorothee von Windheim, Ausstellung 1983, Köln 1983.

[16] Rudolf Bonvie,Jürgen Klauke, Kunststoff 1, Köln 1975; Kunststoff 2, Köln 1975; Kunststoff 3, Köln 1976.

[17] Siehe hierzu Ute Eskildsen, „Fotografie als zeitgemässes künstlerisches Ausdrucksmittel. Ein lnterview mit Ludine und Klaus Hinrichs“, in: Zeitgenössische Fotoarbeiten. Rudolf Bonvie, Andreas Horlitz, Astrid Klein, Sammlung Ludine u. Klaus Hinrichs, Ausst.kat., Das Sammeln – die Sammler. Fotografien aus Privatbesitz Museum Folkwang Essen, Essen 1991, S. 5-7.

[18] Siehe hierzu Evelyn Weiss, „…Mit Fotografie“, in: Dietmar Schneider: Kölner Skizzen, 4. Jg. Heft 3, Köln 1982, 5. 2-17 sowie 8 in Köln. Rudolf Bonvie, Birgit und Wilhelm Hein, Antonius Höckelmann, Astrid Klein, Dieter Krieg, Volker Tannert, Günter Thorn, Dorothee von Windheim, Ausst.kat. Kölnischer Kunstverein 1983, Köln 1983.

[19] Die lokale Herausbildung des künstlerischen Studiengangs an den Kölner Werkschulen unabhängig von der bereits seit 1954 bestehenden technisch-wissenschaftlichen und eng mit der benachbarten Fotoindustrie und -wirtschaft verbundenen Ausbildungsstätte der Staatlichen Höheren Fachschule für Photographie in Köln, die in den 1970erJahren ebenfalls in die FH Köln integriert wird, zeugt zudem von einer Polarisierung der Künstlerischen Fotografie neben dem berufsorientierten „Photoingenieurwesen“ am selben Standort.

[20] Gisela Parak (Hrsg.), Die wilde Vielfalt. Zur deutschen Fotoszene der 1970er und 80er Jahre, Fotogeschichte: Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie, 35. Jg., Nr.137, 2015.

[21]Das Berufsbild des Foto-Designers, der als Werbe-, Mode-, Industrie-Fotograf oder auch Bildjournalist tätig ist, entwickelt sich Ende der 1960er Jahre. Siehe hierzu Karf Martin Holzhäuser, „Entwicklung und Definition des Begriffs ‚Foto-Design- (1979), in: Gottfried Jäger, (Red.); Fachhochschule Bielefeld (Hrsg), Gegen die Indifferenz der Fotografie. Die Bielefelder Symposien über Fotografie 1979 -1985. Beiträge zur ästhetischen Theorie und Praxis der Fotografie, Düsseldorf: 1986, S.16-22.

[22]Es muss berücksichtigt werden, dass die einzelnen Institutionen bislang kaum Gegenstand fotohistorischer Betrachtungen waren und die verschiedenen Ausbildungsstätten jeweils für sich selbst stehen. Sie charakterisieren sich insbesondere durch das Engagement sowie die jeweiligen fotografischen Positionen der Lehrenden, die oft in der Abgrenzung zwischen angewandten und freikünstlerischen Eigenprofilierungen entstehen und sich in Ausrichtungen und Inhalten in der Lehre wiederfinden. Siehe hierzu Rolf Sachsse, Ausbildungswege zur Fotografie. Ein Studienführer, München 1981 sowie Denis Brudna, Anna Gripp, Deutsche Gesellschaft für Photographie (Hrsg.): „Fotografie Studium in Deutschland“, Schriftenreihe DGPh / Sektion Bild, Nr. 4, Köln 1993.

[23] Siehe hierzu 100 Jahre Kölner Werkschulen, Hrsg. Kölner Werkschulen, Fachbereich Kuns und Design der Fachhochschule Köln, Köln 1979.